Ertragreiche „Leichenfledderei“ an der
Börse
09.06.2013
· Wenn sich das Gros der Börsenteilnehmer
angewidert von schlecht gemanagten oder wirtschaftlich angeschlagenen
Unternehmen und erst recht von Pleitekandidaten abwendet, dann
schlägt die Stunde der Leichenfledderer und Aasgeier an der
Börse.
Zweifelsfrei sind finanziell gesunde, aufstrebende Unternehmen Trumpf
bei Börsenprofis und Kleinanlegern. Die Chancen für
Kursanstiege übersteigen augenscheinlich die Risiken
für einen Kursverfall. Freilich kann man die Zukunft nicht
vorhersehen und ein aktuell prosperierendes Geschäft ist kein
diesbezüglicher Erfolgsgarant. Hingegen kann gerade eine
katastrophale Unternehmenslage wie bei drohender Insolvenz durch
Zahlungsschwierigkeiten Unkenrufen zum Trotz für Spekulanten
Chancen in Hülle und Fülle bieten. Ihre Strategien
für die gerade so noch Untoten sind folgende.
Hohe Volatilität bei Seitwärtsbewegung
Ist der Kurs eines kränkelnden Unternehmens erst einmal
eingebrochen und herrscht Unklarheit über den weiteren
Fortgang, dann spiegelt sich die Unsicherheit im Unternehmenskurs
wieder. Indikator hierfür ist die stark angestiegene
Volatilität, die sich auch bei erniedrigten Kursen in Form von
starken Ausschlägen nach unten wie oben bei
grundsätzlicher Seitwärtstendenz fortsetzt. Nicht
zuletzt ist hierfür alleine das optisch niedrige
Aktienkursniveau verantwortlich, denn zumindest bei Penny Stocks
– das sind Werte mit Kursen unter einem Euro –
finden oftmals größere Kurssprünge statt
als bei vermeintlich „teuer“ erscheinenden Kursen,
die sich eher schwerfällig entwickeln. Solange die
Gerüchteküche anhält und der Kursverfall
gestoppt scheint, ist ein Ausnutzen der Schwankungen
erfolgversprechend. Ein gutes Beispiel ist die Commerzbank-Aktie, die
nach dem Kurseinbruch 2008 abgesehen von der Baissephase 2011 einen
Seitwärtspfad einschwenkte, der wie prädestiniert
für ein Hin-und-her-Handeln ist.
Unterbewertung
Eine andere lukrative Herangehensweise ist die nüchterne
Analyse der Vermögenslage eines Unternehmens ungeachtet des
schlechten News Flows oder schwierigen Zahlungssituation. Entscheidend
ist sodann nicht die Frage, ob das Unternehmen bei Fortgang des
Geschäfts den Verpflichtungen auf wundersame Weise nachkommen
kann, sondern was verbleibt, wenn die Schulden nach Verkauf des
geschäftsnotwendigen Vermögens, also nach der
Zerschlagung, beglichen werden. Oftmals übersteigt das
Restvermögen durchaus den Börsenwert und eine saftige
Arbitrage winkt. Ist man als Kleinanleger naturgemäß
nicht selbst einer der sogeannten Corporate Raider (engl. für
Räuber), die an die schlummernden Vermögenswerte
durch Zerschlagung kommen wollen, so kann man getrost auf steigende
Kurse setzen, da entweder andere Marktteilnehmer die Fehlbewertung
erkennen und zukaufen, oder eben der Raider einen guten Preis zahlt, da
er sich bei der anschließenden Zerschlagung noch mehr
ausrechnet. Im Kern handelt es sich hierbei um eine Variante der
Value-Strategie, die auf Unterbewertung setzt, die aber nicht nur bei
angeschlagenen Unternehmen vorliegen muss.
Turnaround
Für Optimisten im Hinblick auf die Wiedergesundung eines
Pleitekandidaten ergeben sich weitere Optionen als das direkte Setzen
auf das Anziehen des Aktienkurses. Anleihenkäufe sind
ergänzende Alternativen, wie auch der Schuldenaufkauf oder
eine Beteiligung durch Einlage und nicht zuletzt die
Kreditgewährung. Alle Alternativen haben jedoch eines
gemeinsam, nämlich dass sie sehr riskant sind. Eine sehr gute
Kenntnis der Aktionen rund um die Unternehmensrettung ist
unentbehrlich. Informationsvorsprung, Insider Infos und, falls man
selbst ein Großinvestor ist, gegebenenfalls die
Möglichkeit zur eigenen Einflussnahme sind da hilfreich. Aber
auch das bloße Streuen des Einsatzes auf mehrere
Sanierungsfälle im Sinne einer
„Mischkalkulation“ der Risiken kann
zielführend sein. Sobald sich nur einige Turnarounds
einstellen, die sich sodann als Kursraketen entpuppen, werden die
anderweitigen Verluste überkompensiert. Als Beispiel
für einen gelungenen Turnaround kann Infineon genannt werden.
Seit dem Tief, das bei 0,38 Euro im März 2009 markiert wurde,
erholte sich der Kurs noch im Jahr 2009 auf über 3 Euro
– ein Anstieg um rund 700 Prozent. Dies hätte
theoretisch sieben Totalverluste an anderer Stelle bei jeweils gleichem
Einsatz wettgemacht.
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