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Notgroschen für den Kaiser
05.04.2015 · Prunksucht und Kriegslust zwangen Fürsten zu gewaltigen Kreditaufnahmen. Anekdoten zeugen vom Wechselspiel zwischen adliger Zahlungsmoral und der Macht der Kapitalgeber.




Nicht erst der französische Sonnenkönig Louis XIV. (1638 bis 1715) pflegte einen verschwenderischen Herrschaftsstil. Während der durch ihn auf die Spitze getriebene Absolutismus 1789 in der französischen Revolution mündete, die seinen Nachfahren Louis XIV. (1754 bis 1793) den Kopf kostete, vollzog sich zu Zeiten der deutschen Kaiser Maximilian I. (1459 bis 1519) und Karl V. (1500 bis 1558) eine ganz andere Revolution. Einhergehend mit der italienischen Renaissance hielt auch das Bankgeschäft Einzug im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation. Kirchliches Zins- und Wucherverbot standen zwar als Bollwerke der Hochfinanz entgegen, sie waren aber vor dem Hintergrund des Kapitalbedarfs der deutschen Könige und Kaiser für ihren ausufernden Hofstaat aber vor allem zur Verwirklichung ihrer Herrschaftsphantasien letztlich stumpfe Waffen.

Ohne Geld keine Kaiserwürde

Im Jahr 1519 stand nach Maximilians Tod die Wahl des nachfolgenden Römischen Königs durch die deutschen Kurfürsten an, die zur Kaiserkrönung legitimierte. Nirgendwo anders, bis auf vielleicht bei den kostspieligen Feldzügen mit Söldnerheeren, verdeutlicht sich die zeitgenössische Bedeutung des Geldes und deren Geber so sehr wie hier. Denn um den Mitbewerber König Franz von Frankreich auszustechen mussten die Kurfürsten samt ihrer Gefolgschaft bestochen werden. Karl gelang es, die immense Summe von 850.000 Florentiner Gulden aus Bargeld und Wechseln durch mühselige Kreditaufnahmen aufzubringen und sich so die Kaiserwürde zu sichern. Die Verkündung seiner Wahl vor dem Volk war dann nur noch ein scheinheiliges Schauspiel.

Bedenkt man, dass dabei alleine das Bank- und Handelshaus der Fugger dem künftigen Kaiser 534.000 Gulden herlieh und den Großteils der verbliebenen Summe vermittelte, so wird an dieser Stelle ihre enorme Macht deutlich. Zunächst blieben die Gläubiger aber auf ihren Forderungen sitzen, denn die Sicherung der Kaiserkrone änderte vorläufig nichts an der Finanznot Karls. Erst nach der Gefangennahme Franz´ in der Schlacht von Pavia im Jahr 1525 stellte sich mit den Löse- und Entschädigungsgeldern vom Feind und den Subventionen von neuerdings wohlgesonnenen Adelshäusern ein Geldsegen ein.

Der Kaiser durch Metzger, Bäcker und Fischer festgesetzt

Doch Kreditaufnahmen bestimmten nicht nur auf dem Felde der Weltpolitik den kaiserlichen Alltag. So litt Maximilian I. aufgrund vorausgegangener Verschwendung zeitweise eine kaum vorstellbare materielle Not, und musste des buchstäblichen Überlebens wegen fortgesetzt geringe Kreditbeträge regelrecht erbetteln. (S. 100) Für seinen Vorgänger, Kaiser Friedrich III. (1415 bis 1493) ist die folgende Begebenheit überliefert. Während seines Aufenthalts in Augsburg im Jahr 1473 wurden des Kaisers Proviant und Verpflegung durch das Versprechen an die örtlichen Händler beschafft, bis Abreise die Forderungen zu begleichen. Als Ferdinand mit Gefolge wortbrüchig von dannen ziehen wollte, war es dann auch mit der bürgerlichen Gastfreundschaft vorbei. Kurzerhand legten die Metzger, Bäcker, Fischer und sonstigen Handwerker Ketten um den kaiserlichen Pferdestall und hielten die kaiserliche Kutsche von der Abfahrt ab, in dem einer von ihnen die Pferde an den Zügeln festhielt. Schließlich sprang die Stadt Augsburg ein und legte den Großteil der geschuldeten 1.730 Florentiner Gulden vor. (S. 89)

Zahlungsversprechen des Kaisers dem Feuer übergeben

Aber auch manch gewiefter Großkapitalgeber wurde über die wechselvolle Zahlungstreue der Fürsten regelrecht mürbe. Eine Anekdote, die sich angeblich um das Jahr 1546 abgespielt habe soll, legt davon Zeugnis ab (S. 168 ff.). Darin teilt ein erzürnter Kaufmann Kaiser Karl V. auf eine ungewöhnliche Art mit, was er von dessen Kreditwürdigkeit hält, indem er vor dessen Augen die kaiserlichen Schuldscheine im Kaminfeuer verbrennt. Je nach überlieferter Version handelt es sich bei dem Kaufmann einmal um den Genuesen Adame Centurione, dann um den Antwerpener Jan Daem und schließlich in der populärsten Version um den Augsburger Anton Fugger. Im letzten Falle ist der selbstbewusste augsburger Kaufmann nicht um eine schelmische Begründung verlegen, wenn er dem Kaiser sagt, er habe „etliche Wechselbriefe von Ihrer Majestät […] zerrissen oder verbrannt, damit Ihre Majestät sehe, dass er ihr mit seiner ganzen Substanz begehre zu dienen.“

Willkür von Gottesgnaden bricht Wucherzins

Mit der Zeit zeigte sich schließlich, wer bei den institutionalisierten Kreditgeschäften am längeren Hebel saß. Erwartungsgemäß mussten es die nach eigenem Bekunden durch Gottes Willen legitimierten Herrscher sein. Sobald sie dank des Geldsegens fest im Sattel waren, drehten sie gerne den Spieß um. Die mildere Form war hierbei, wenn sie Rückzahlungen nur gegen neue Vorschüsse leisteten, wodurch sie auf unbestimmte Zeit mit einem Teil der Gesamtschuld rückständig bleiben konnten. Eine Steigerung war die Zinskappung unter Berufung auf das nun praktisch erscheinende kirchliche Zinsverbot, das auch in der Renaissance-Zeit weiterhin von Gewicht war. Beschlagnahmung der Pfanderlöse und Ausfuhrverbote für das zur Schuldentilgung bei ausländischen Kreditoren bestimmte Bargeld gehörten alsbald ebenso zur Tagesordnung, zumindest wenn die Staatsfinanzen wieder in arge Bedrängnis gerieten. Schließlich behalfen sich die Adelshäuser schlichtweg mit Bankrotterklärungen, wofür die in die Geschichte eingegangenen spanischen Staatsbankrotte der Jahre 1557, 1575 und 1596 stellvertretend stehen. Dieses Vorgehen führte so manches berühmte Handelshaus in den Untergang, wie einstweilen das der Fugger oder der Welser. Aber auch viele kleine Kaufmannsfamilien verarmten durch den Dreh am großen Rad.

Geschichte wiederholt sich

Nicht übersehen werden darf, dass aufgrund ihrer schlechten Kreditwürdigkeit, die Fürsten teilweise regelrechte Wucherzinsen zahlen mussten, um überhaupt an einen Kredit zu kommen. Das schränkte einerseits ihren finanziellen Spielraum zusätzlich ein und verstärkte anderseits naturgemäß ihre Unwilligkeit zur Rückzahlung, stand diese einmal an. Parallelen zur aktuellen Krise der Staatsfinanzen in Griechenland sind da nicht zu übersehen. Da die zur damaligen Zeit den Fürsten unterstehenden tributpflichtigen Städte sich regelmäßig für deren Schulden verbürgen mussten, erfreuten sich die Kapitalgeber nicht gerade großer Beliebtheit beim „einfachen Volk“ – eine weitere Parallele zur aktuellen Lage.


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Quelle:
Richard Ehrenberg, Das Zeitalter der Fugger - Geldkapital und Kreditverkehr im 16. Jahrhundert (3. Aufl.). Verlag von Gustav Fischer, Jena 1922

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